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Rebhühner auf Feld

Niederwildgipfel

Hase, Rebhuhn & Fasan: Jäger schlagen Alarm

Die Niederwildbesätze bewegen sich in Europa seit Jahrzehnten auf einem niedrigen Niveau: Alleine in den letzten zehn Jahren gingen die niederösterreichischen Strecken beim Feldhasen um 62 Prozent und beim Fasan um 75 Prozent zurück, während das Rebhuhn seit langem ein besorgniserregend niedriges Besatzniveau aufweist. Maßnahmen in einzelnen Revieren sorgen zwar lokal für mitunter höhere Niederwilddichten, der Verlust von Lebensräumen und Äsung stellt aber ein Problem dar.

Um dieser alarmierenden Entwicklung entgegenzuwirken, trafen über 350 Entscheidungsträger, Interessenvertreter und Interessierte aus den Bereichen Jagd, Landwirtschaft und Forstwirtschaft sowie der Politik am 10. Oktober 2019 zum Niederwildgipfel des NÖ Jagdverbandes am Campus Krems zusammen. Ziel der Veranstaltung war eine Analyse des Status quo durch international anerkannte Experten, eine Bilanz und Evaluierung der bisher durchgeführten Maßnahmen sowie ein Ableiten von notwendigen Impulsen und politischen Forderungen.

Das Ergebnis ist ein Forderungskatalog für eine nachhaltige Entwicklung der Niederwildbestände, welcher der Europäischen Kommission, der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP), dem österreichischen Programm zur Förderung einer umweltgerechten, nachhaltigen und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL) sowie darüberhinausgehenden Politikfeldern als Handlungsanstoß dienen soll.

Forderungen

Förderrichtlinien müssen angepasst werden

Zum Erhalt des Niederwildes wird es gemeinsame Anstrengungen brauchen, die sich auch in künftigen Förderrichtlinien wiederfinden müssen. Es sollen Mehrwerte für Biodiversität, Jagd und die Stärkung der Landwirtschaft geschaffen werden. Deshalb hat aus Sicht des NÖ Jagdverbandes die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in der Gestaltung auf europäischer Ebene folgendes zu berücksichtigen:

  • Die Unterstützung von landwirtschaftlichen Brache- bzw. Mehrnutzungsflächen ist zu erhöhen.
  • Auch bei der Bio-Landwirtschaft sind diese Flächen zu forcieren.
  • Die Biodiversitätsförderung für Landwirte ist zu erhöhen, denn Biodiversität muss sich für Landwirte lohnen. Direktzahlungen im Rahmen der GAP sollten Leistungen für die Biodiversität sowie Ökosystemleistungen einbeziehen.
  • Die EU-Mitgliedstaaten sind zur Aufnahme weitreichender Maßnahmen in ihre Strategischen GAP-Pläne zu verpflichten: Das Ziel „Beitrag zum Schutz der Biodiversität, Verbesserung von Ökosystemleistungen und Erhaltung von Habitaten und Landschaften“ sind um „Wiederherstellung und Management“ und „Schutz“ zu erweitern.
  • Die GAP sollte die Wiederherstellung von Habitaten im Agrarland über direkte Anreize (Säule I) sowie Anreize zur Entwicklung des ländlichen Raumes (Säule II) zwecks Erhöhung der Biodiversität in der Landwirtschaft fördern. Hierbei ist die Zusammenarbeit von Jägern und Landwirten zur Gewährleistung der Wiederherstellung wertvoller Habitate und der Erholung von Arten im Agrarland Europas von maßgeblicher Bedeutung.
  • In ihren strategischen GAP-Plänen haben die Mitgliedstaaten nationale bzw. regionale Prioritäten für jedes einzelne Ziel entsprechend der jeweiligen nationalen bzw. regionalen Erfordernisse zu setzen. Zur Festlegung dieser Prioritäten haben die Mitgliedstaaten zunächst eine „Bedarfsanalyse“ unter Einbindung sämtlicher maßgeblicher Interessenvertreter (einschließlich Landwirte, Jäger und anderer Verbände) und in enger Abstimmung mit der EU-Kommission durchzuführen.
  • Die Fruchtfolge der Zukunft muss Kriterien zur Steigerung der Biodiversität enthalten.
  • Flexiblere Programmhandhabung in Hinblick auf die Auswirkungen des Klimawandels.

In Richtung EU-Kommission erachtet der NÖ Jagdverband folgende Schritte als notwendig:

  • Mitgliedstaaten müssen verpflichtet werden, klare Biodiversitätsziele festzulegen, deren Erbringung objektiv und systematisch geprüft werden kann.
  • Die Europäische Kommission sollte jedes Jahr in Form eines Leistungsberichts entsprechend der spezifisch festgelegten Ergebnisindikatoren solide und glaubwürdige Biodiversitätsdaten aus den Ländern erhalten, um die erzielten Fortschritte bewerten zu können. Zur Messung der Fortschritte und Leistungen in Bezug auf die festgelegten Ziele und ihrer Berichterstattung sind erprobte Monitoring- und Meldesysteme erforderlich, die systematisch, harmonisiert, glaubwürdig und unabhängig sein müssen.
  • Niederösterreich weist eine gut abgestimmte und konstruktive Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Jagd auf. Dieses Partnerschaftsprinzip sollte durch Einbindung der nationalen Behörden und Konsultation maßgeblicher Interessenvertreter und der Wissenschaft noch erhöht werden.
  • Nichtproduktive (aber landwirtschaftlich und ökologisch wertvolle) Habitate sollen wiederhergestellt werden.

Der Niederwildgipfel des NÖ Jagdverbandes ist ein erster Schritt, den Lebensraum für das Niederwild zu erhalten. „Wenn wir jetzt nicht die notwendigen Schritte setzen, könnten Hase, Fasan und Rebhuhn aus unserer Landschaft verschwinden“, so Josef Pröll abschließend.

Konferenzheft

Cover des Konferenzheftes zum NiederwildgipfelDer NÖ Jagdverband hat die wichtigsten Informationen und Ergebnisse des Niederwildgipfels in einem Konferenzheft zusammengefasst. 

 

Download des Konferenzheftes

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorträge im Überblick

Landesjägermeister Josef Pröll:

„Brauchen Allianz aus Jägerschaft, Landwirtschaft und Agrarpolitik“

 

„Die niedrigen Niederwildbesätze sind ein gesamteuropäisches Problem und bedürfen daher auch einer europäischen Lösung. Dabei sind es vor allem die fehlenden Lebensräume, die sich negativ auf die Besätze auswirken. Die Landwirtschaft ist der Hauptgestalter des Lebensraums, daher müssen gemeinsam Antworten gefunden werden“, betont Josef Pröll, Landesjägermeister von Niederösterreich und Gastgeber der Veranstaltung, und verweist auf den bereits seit Jahren guten Dialog zwischen Landwirtschaft und Jagd in Niederösterreich. „Für Landwirte muss es sich lohnen, Biodiversitäts-fördernde Maßnahmen umzusetzen. Hier braucht es ganz klar eine Umstellung der GAP hin zur Förderung von Leistungen für die Biodiversität. Denn viele Wünsche der Jäger an Landwirte können diese gar nicht umsetzen, da es ihnen die Regularien von GAP und ÖPUL verbieten.“

 

Zudem soll ein Fördertopf für freiwillige Biodiversitätsmaßnahmen, die Landwirte gemeinsam mit den Jägern setzen, geöffnet werden, so Pröll: „Hier braucht es dringend Impulse in die richtige Richtung, denn eines muss allen klar sein: Niederwild erhält man nicht mehr zum Nulltarif.“ Weitere Ansatzpunkte sind eine Sensibilisierung der Bevölkerung für ein wildtierfreundliches und -schonendes Freizeitverhalten sowie die Renaturierung ungenutzter und versiegelter Flächen. „Dazu braucht es einen Schulterschluss von Jägerschaft, Landwirtschaft und Agrarpolitik“, unterstreicht Pröll.

 

LH-Stv. NÖ Stephan Pernkopf:

„NÖ will Europas erstes Biotop-Verbund-System etablieren“

LHStv. Stephan Pernkopf hält fest: „Unsere heimischen Bäuerinnen und Bauern haben im europäischen Vergleich einen klaren Ökologie-Vorsprung. Wir können in Österreich zeigen, wie es in ganz Europa funktionieren kann. Deswegen muss die nächste GAP einen klaren Fokus auf die kleinstrukturierte Landwirtschaft legen. Klar ist: Wenn der Gesellschaft dieses Thema etwas wert ist, müssen die Leistungen der Landwirtschaft für die Biodiversität abgegolten werden. Auch im Naturschutz sind wir Vorreiter, wenn es um Schutzgebiete und die Rückkehr seltener Arten wie den Kaiseradler geht. Jetzt muss es aber darum gehen, auch Feldhase, Rebhuhn und Fasan zu erhalten. Deswegen wollen wir Europas größtes Biotop-Verbund-System etablieren, in dem wir die bestehenden Schutzgebiete und Biotope besser vernetzen, Windschutzgürtel als Wildtier-Korridore nutzen und den Tieren nicht nur eingegrenzte Schutzräume, sondern vernetzte Lebensräume bieten.“

 

Josef Settele, Ko-Vorsitzender des globalen Berichtes des Weltbiodiversitätsrates IPBES:

„Bedrohung der Artenvielfalt ist globales Problem“


Der Formulierung der Forderungen vorausgegangen ist eine intensive Auseinandersetzung mit der globalen, europäischen und österreichischen Artenvielfalt und deren Entwicklung sowie mit der Besatzdynamik beim Niederwild. So zeigt etwa der Artenvielfalts­bericht 2019 des Weltbiodiversitätsrates (IPBES), der die gesamte Biodiversität analysiert, ebenfalls alarmierende Zahlen und Entwicklungen. Josef Settele, Ko-Vorsitzender des Berichtes des Weltbiodiversitätsrates (IPBES), sieht in seiner Keynote zum Auftakt der Veranstaltung vor allem im Umgang des Menschen mit der Natur eine Hauptursache für sinkende Besatzzahlen: „Es ist mittlerweile erwiesen, dass unsere Art der Landnutzung und des Wirtschaftens enorme Auswirkungen auf das Ökosystem haben. Wenn wir nicht ernsthaft nachhaltige Lösungen suchen und vom Wirtschaftswachstumsparadigma abkommen, werden in den kommenden Jahrzehnten eine Million Tierarten direkt vom Aussterben bedroht sein“, so Settele in seinem Eröffnungsvortrag.

 

Gabriele Obermayr, Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus:

„Politik steht in der Pflicht, Artenvielfalt zu erhalten“

Auch in Österreich seien die sinkenden Wildtierpopulationen eine zentrale Herausforderung, die einer Lösung bedürfen, erklärt Gabriele Obermayr vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. Als Mitglied der Vereinten Nationen habe der Staat seine Biodiversität zu erhalten und nachhaltig zu nutzen. Hier decken sich die Bemühungen der Jägerschaft, Landwirte und Grundeigentümer mit dem politischen Auftrag. Um diesen zu erfüllen, startete Bundesministerin Maria Patek im Juli 2019 einen Konsultati­onsprozess zur Entwicklung einer neuen Biodiversitäts-Strategie 2030. Diese soll im ersten Halbjahr 2020 vorgestellt werden.

 

Klaus Hackländer, Universität für Bodenkultur Wien:

„Lebensraum ist Superfaktor“

Bei den zahlreichen Faktoren, die sich auf die Niederwildbesätze auswirken, sei laut Klaus Hackländer von der Universität für Bodenkultur der Lebensraum eine Art Superfaktor. Die niederwildfreundliche Bewirtschaftung der Landschaft sei dabei eine wesentliche Grundlage für einen geeigneten Niederwildlebensraum. Ohne adäquate Lebensräume sei die Arbeit an allen anderen Maßnahmen gegen sinkende Populationen bloß Symptombekämpfung, so Hackländer.

 

Lebhafte Diskussion schloss Vormittag ab

Rainer Raab, Technisches Büro für Biologie:

„ÖPUL leistet wichtigen Beitrag zu Lebensraumverbesserung“

Rainer Raab beim Niederwildgipfel des NÖ JagdverbandesUm den von Klaus Hackländer angesprochenen Superfaktor Lebensraum tatsächlich nachhaltig zu verbessern, braucht es laut Rainer Raab vom Technischen Büro für Biologie langfristige Maßnahmen. Für die Förderung der Biodiversität sei die Schaffung von störungsarmen, nahrungsreichen Strukturen wie etwa großflächigen Naturschutzbrachen unumgänglich. Im Rahmen des ÖPUL wurden deshalb bereits mehr als 5.500 Hektar Trappenschutzflächen angelegt. Weiters wurden im Rahmen dreier LIFE-Projekte für die Großtrappe mehrere hundert Kilometer an Freileitungen unter die Erde verlegt bzw. markiert. Ähnliche Maßnahmen brauche es auch ausgerichtet auf die Bedürfnisse des Niederwilds.

 

Lorenz Mayr, Landwirt:

„Jagd und Landwirtschaft müssen sich ergänzen“

Landwirt Lorenz Mayr sieht in der persönlichen Kommuni­kation von Jägern und Landwirten eine Voraussetzung für regionale Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung. Es sei wichtig, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse einzugehen und so gemeinsam Biodiversitätsflächen anzulegen, die den Wildtieren Deckung und Äsung spenden. Im Anlegen langjähriger Lebensraumstreifen quer über die Flur sieht Mayr aus landwirtschaftlicher Sicht kein Problem, solange diese entsprechend abgegolten werden.

 

Daniel Hoffmann, Game Conservancy Deutschland e. V.:

„Niederwildschutz ist angewandter Artenschutz“

Aus Sicht von Daniel Hoffmann vom Game Conservancy Deutschland e.V. ist der Niederwildschutz weit mehr als bloß Hege im jagdrechtlichen Sinne und das Anlegen von einzelnen Blühstreifen, sondern angewandter Artenschutz. Die politischen Rahmenbedingungen für effiziente Maßnahmen seien in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund ökologischer Unkenntnis und wirtschaftlicher Interessen jedoch stets verschlechtert worden. Für nachhaltige Bestandsverbesserung wird es aus seiner Sicht unumgänglich sein, Ganzjahresbiotope in der Feldflur zu schaffen, um dem Niederwild die erfolgreiche Reproduktion zu ermöglichen und die notwendige Deckung und Nahrung zu bieten.

 

Niederwild-Versuchsreviere der NÖ Jäger sind Erfolgsprojekte

Wie langfristige Maßnahmen im Sinne des Schutzes von Niederwild und damit auch anderer Arten aussehen können, zeigten die Berichte und Erkenntnisse aus den erfolgreichen Niederwild-Versuchsrevieren des NÖ Jagdverbands. Ziel der Versuchsreviere ist es, nachhaltige Maßnahmen zu setzen, um Lebensräume zu schaffen und das Niederwild ausreichend mit Äsung zu versorgen. Josef Kindler, Rudolf Hoffmann, Bezirksjägermeister-Stellvertreter Johann Blaimauer sowie Miroslav Vodnansky von der ARGE Niederwild stellten dazu ihre Reviere und Projekte vor, berichteten über ihre schwerpunktmäßigen Aktivitäten zur Steigerung der Niederwildbesätze und resümierten die Ergebnisse. Die Referenten betonten dabei vor allem die Bedeutung der wissenschaftlichen Begleitung von Hegemaßnahmen, um zu Erkenntnissen zu gelangen, von denen andere Reviere profitieren können.

 

Josef Kindler beim Niederwildgipfel des NÖ Jagdverbandes Rudolf Hoffmann beim Niederwildgipfel des NÖ Jagdverbandes
Johann Blaimauer beim Niederwildgipfel des NÖ Jagdverbandes Miroslav Vodnansky beim Niederwildgipfel des NÖ Jagdverbandes

 

 

Leopold Obermair, NÖ Jagdverband:

„Drei Stellschrauben für Entwicklung von Niederwildpopulationen“

Wildökologe Leopold Obermair nannte die vier wichtigsten Einflussfaktoren auf die Besätze des Niederwilds: menschliche Aktivitäten und hier vor allem die Landnutzung, die Beutegreifer, Klima und Witterung mit zunehmendem Niederschlag in milderen Wintern sowie Krankheiten. Daraus ergeben sich drei wesentliche Stellschrauben für die Entwicklung der Niederwildpopulationen: Erstens brauche es für die Schaffung von passenden Lebensräumen vor allem die Unterstützung der Landwirtschaft. Die zweite Stellschraube betrifft die Wildpopulationen selbst: Hier obliegt es der Jägerschaft, Beutegreifer zu regulieren und sich bei der Bejagung des Niederwildes an den jagdlich nutzbaren Zuwächsen zu orientieren. Drittens sollen auch die Erwartungshaltung bezüglich der Niederwildbesätze kritisch hinterfragt und realistisch Besatzziele angestrebt werden. Denn Besatzzahlen wie in den 70er Jahren seien heute auf Grund von steigenden Wildschadensforderungen und mangelnden Absatzmöglichkeiten nur noch in wenigen Gebieten wünschenswert.

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